FABRICATE 2014 – Notizen & Eindrücke

Am Eröffnungsapéro am Donnerstag erntet das Fablab Lob und Applaus für die vielen schönen Badges. (Noch) macht sich aber keiner klar, welches Engagement dahinter steckt. Gem. Überschlagsrechnung wären wir eigentlich ein Hauptsponsor der Konferenz 🙂

Den Auftakt zur Konferenz machte Mario Capo mit einer längeren Keynote-Lecture (das ganze Programm hier:http://www.fabricate2014.org/schedule/). Interessante Gedanken:

– Entwicklung der Aesthetik digitaler (digital produzierter) Architektur von glatten Nurbs (Blobs) in den Neunziger Jahren zu texturiertem, gebrochenen "Messy-Style" von heute.

– Hintergrund: steigende Kapazität zur Informationsverarbeitung. Mit heutigen Rechnern ist es nicht mehr nötig (so die These), auf abstrahierende und dadurch wenig Speicherplatz einnehmende Algorithmen zu reduzieren, es ist möglich geworden ("Big Data") riesige Datenmengen rein statistisch auszuwerten. Dieses Vorgehen wird zB. in der Meterologie sehr erfolgreich angewandt. So muss nicht mehr verstanden werden, was passiert, sondern nur beobachtet (sinngemäss). "Search, don't sort" sagt Google dazu.

Dirk Krolikowski zeigt den eindrücklichen Planungs- und Realisationsprozess seines "Cheesegrater"-Gebäudes in London, inkl. eingebauten Mechanismen zur geometrischen Fehlerkontrolle, zum Ausgleich von Gravitationseffekten (Turm wäre sonst schief).

Am Nachmittag eindrückliche Projekte, die die technologische Fähigkeit zur Generierung/Produktion von filigranen, komplexen Strukturen darstellen. Emily Baker macht Blech mit CNC-geschnittenen, von Hand ausgebogenen Ausfaltungen biegesteif, Benjamin Dillenburger und Michael Hansmeyer drucken Millionen von Polygonen in Raumgrösse.

Am Abend dann ist die Eröffnung der Ausstellung zum Gramazio/Kohler-Buch "Robotic Touch", eine experimentelle Werkschau. Sehr schön!

Die Samstagskeynote von Achim Menges ist sehr eindrücklich. Die Herleitung der (Pavillon-)Projekte ist schlüssig, die Projekte überzeugen technisch, vom Materialeinsatz – und sind wunderschön. Mein Favorit: Lamellen aus dünnem Holz, die sich je nach Luftfeuchtigkeit von selbst öffnen oder schliessen. Ohne Motor, viele tausend Male ohne Abnützung. Clever!

 

Dann folgt die Session "Forming Machines".

Ryan Luke Johns hat sich mit seinem Roboter erst ein Häuschen gebaut (die "grey shed") und forscht da nun. Mit Kintect und Projektion erprobt er eine anspruchsvolle Anwendung, bei der der User realtime in den robotischen Prozess eingreifen kann.

Ammar Kalo fliegt und knüpft mit zwei Quadcoptern Hängestrukturen und die Jungs vom iaac/Joris Laarman schlagen der Erdanziehung ein Schnippchen mit ihren robotischen Extrusionsprozessen. 2K-Schaum wird schnellaushärtend extrudiert, so können auch schräge "Würste" gedruckt werden. Laarman frisiert einen MIG-Schweisser als Metall-Punktdrucker!

 

Am Nachmittag die Keynote von Neil Gershenfeld. Eloquent rollt er die Entwicklung seiner Research-Agenda am MIT auf, und auch die Entstehung der Fablabs.

– Assemblatoren: Pick-n-Place Maschinen stecken aus Plättchen Strukturen zusammen. Die Plättchen gibt es in vier Materialien (Metall, Kunststoff, Halbleiter), so können Transistoren gesteckt werden. Die Teile werden immer kleiner (aktuell 1mm) und können VERLUSTFREI REZYKLIERT werden. 

Es folgt die Session "Living Assemblies", mit einer Einführung von Axel Kilian. Die zT. ziemlich abgespacten Projekte (Pavillon von Seidenraupen gesponnen, sich-selbst-faltende Strukturen) regen eine gute Diskussion zum Schluss an. Insbesondere wird auch Wert und Stellenwert der oft verführerischen Aesthetik vieler dieser Digi-Fab Projekte angesprochen.

Beim abschliessenden Apéro gibt es ein Fablab-Gruppenbild (Fablab-Leute aus Mexico, iaac, Maastricht anwesend), Peter Troxler versteigert die verunglückten Badges ("Na, wer hat den grössten Roboter?") und nachdem die Bar Freibier ausschenkt, gibt's auch auf dem Dancefloor kein Halten mehr.

 

Persönlich und im Fablab-Kontext finde ich interessant und inspirierend, wie Neil und Ryan propagieren und demonstrieren, dass Forschung nicht an grosse Budgets gekoppelt sein muss. Natürlich gibt es Themen, für deren Untersuchung teures Equipment benötigt wird. Es gibt aber auch zunehmend Dinge, die ein Fablab besser kann als jede Uni: wirklich interdisziplinäres Arbeiten, überschaubare (=niederschwellige) Infrastruktur, Magnet für innovative (=unkonventionelle) Menschen. Gute Gedanken für unser Fundraising!